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Gold von gestern für den Kanon von morgen: Twilight of the Gods, Fire on the Mountain (Season of Mist, 2013)

Twilight of the GodsRussische Forscher haben kürzlich angekündigt, aus der DNA eines in der Arktis gefundenen Mammuts ein Exemplar dieser vor 10.000 Jahren ausgestorbenen Tierart klonen zu wollen. Na dann mal los, Freunde! In der Zwischenzeit machen wir uns ein paar Gedanken darüber, die Wiederbelebung welcher Spezies sonst noch so von Interesse sein könnte. Der junge David Coverdale wäre ein Beispiel – musikhistorisch betrachtet. Oder Ronnie James Dio, zu Sabbath-, Rainbow- oder „Holy Diver“-Zeiten. Und vielleicht klonen wir die Riffs und die Rhythmusfraktion gleich mit, die gleichermaßen Fundament wie auch verschwenderisch Spielraum bereitstellten, damit Sänger (ach was: Monolithen!) dieses Kalibers am Übergang vom Hardrock zur Ursuppe des frühen Heavy Metal die mannigfachen Facetten ihrer Sangesgabe überhaupt erst voll ausschöpfen und mit großem Gestus und Lust zur adrenalingetriebenen Koloratur frei über Beats, Riffs und Takte dahinschwelgen lassen konnten.

Alan Averill von Twilight of the Gods (aka A.A. Nemtheanga von Primordial) räumt offen ein, niemals ein Dio zu werden. Das macht ihn höchst sympathisch. Noch sympathischer macht ihn die Tatsache, dass die Art und Weise, wie er auf „Fire on the Mountain“ drauflossingt, -shoutet und -phrasiert, zwar in punkto Stimmumfang und Intonation nicht ganz an die Altvorderen heranreichen mag, in punkto Timbre, Vibe und Charme aber unwillkürlich die Sternstunden Coverdales mit Deep Purple oder diese und jene Großtat des jungen Dio assoziieren lässt. So herrlich unprätentiös und authentisch hat seit Astral Doors’ Astralism lange kein Frontmann mehr losgelegt und den Hardrock alter (bzw. den Heavy Metal früher) Schule stimmgewaltig wiederaufleben lassen. Und eigentlich hinkt sogar der Vergleich mit Astral Doors – denn Twilight of the Gods sind den bluesgeschwängerten Wurzeln des Genres viel näher als die Doors, die ihren Sound mit Orgel und vorzugsweise Uptempo anheizen, wo Twilight of the Gods sehr souverän ein Bekenntnis zum getragenen (unteren) Mitdtempo an den Tag legen: Ein gutes Riff ist ein gutes Riff ist ein gutes Riff, und ein exzellenter Song kann auch im unteren Midtempo und mit aufgelockerter Instrumentierung heavy as fuck sein und zünden, wenn nur der Groove ordentlich Feuer macht und der Vokalist die Aura versprüht, Räume, Kuppeln, Kathedralen mit gleicher Selbstverständlichkeit zum Virbrieren bringen zu können wie den kleinen, intimen Club.

Was bietet „Fire on the Mountain“? Sieben erhaben treibende Proto-Metal-Perlen von altem Schrot und Korn, die – gleichsam durch die Zeiten gereist und gereift – aus dem Stand mitzureißen verstehen wie Teile des klassischen Kanons („Holy Diver“, „Burn“, „Long Live Rock’n’Roll“, „Man on the Silver Mountain“, um nur ein paar Referenzen zu zitieren).

Ich habe mir das Album am Erscheinungstag vor einer längeren Autofahrt neben anderen Dingen, auf die ich (eigentlich) ein Ohr werfen wollte, auf den Musik-Stick fürs Auto gepackt. Letztendlich habe ich die gesamten fünfeinhalb Stunden Fahrt nichts anderes gehört als immer wieder diese eine Scheibe – und mit zunehmender Begeisterung den Stau, der meine Fahrt um mindestens zwei Stunden verlängert hat, nicht mehr verflucht, sondern als Segnung begrüßt.

Naja, vielleicht ist das auch ein bisschen dick aufgetragen. Aber um die Klasse dieses Albums zu würdigen, muss man schon dicke Geschütze auffahren. ;-)

P.S.: Wer nicht mit Deep Purple, Dio & Co. sozialisiert wurde, sondern (Die Tragik der späten Geburt) direkt mit „True Metal“ (hust!) sozialisiert wurde, wird diesem Album möglicherweise so nicht viel abgewinnen können. Bei ersteren allerdings sollten die Ohren mindestens Augen (und vielleicht sogar offene Münder) machen.

Anspieltipps: Der Stampfer Sword of Damocles, das fast schon soulige Preacher Man, der Rausschmeißer At Dawn We Ride … ach was: alles!

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