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Can’t Fight The Magic: Queen, Forever (Deluxe Edition, 2014)

Queen, ForeverObjektiv betrachtet ist das neue Queen-„Album“ (natürlich) nichts als Kommerz: 36 bekannte Songs verteilt auf zwei CDs, deren Remaster-Versionen sich, da man die Songs ohnehin schon hunterfach im Ohr hatte, nicht bahnbrechend von den Original-Recordings unterschieden. Hinzu kommen die als Daseinsberechtigung für die Scheibe zu diskutierenden drei „neuen“ Songs: ‚There Must Be More To Life Than This‘, die Zusammenarbeit mit Michael Jackson, ist für Komplettisten (und für Kinder der 70er und 80er) fraglos interessant, musikalisch aber nun nicht wirklich originell (‚It’s A Hard Life‘ kann als Blaupause herhalten). ‚Love Kills‘ ist mit seinen typischen Queen-Harmoniefolgen ganz nett, gegenüber manch früheren Großtaten aber eher Durchschnitt. ‚Let Me In Your Heart Again‘ schließlich ist ein Relikt aus den Sessions zum 1984er „Works“-Album. Weshalb es der Song damals nicht aufs Album geschafft hat, liegt bereits nach wenigen Takten klar auf der Hand, handelt es sich doch im Großen und Ganzen um nichts anderes als eine simplifizierte Variante des großartigen ‚Hammer To Fall‘; die Gitarren-Licks sind teilweise sogar fast mit denen von ‚Hammer To Fall‘ identisch.

Und dennoch: Ich kann mir nicht helfen: Sobald Freddie Mercury singt und der typische Brian-May-Gitarrensound aus den Boxen schillert, stellt sich bei mir unwillkürlich das als kognitives Schema verinnerlichte Queen-Feeling ein. Das Queen-Feeling, das Queen-Erinnerungen weckt. Erinnerungen beispielsweise daran, wie ich Ende November 1991 (kurz vor dem Abi) mit Pfeifferschem Drüsenfieber schlaflos im Bette darniederlag, nächtelang Radio hörte, und der SDR dann plötzlich am frühen Morgen zum ersten Mal die Meldung von Freddie Mercurys Tod brachte. Das war ein Schock.

Das Queen-Feeling und die Queen-Erinnerungen haben sich bei mir über die Jahre immer sehr zuverlässig dann eingestellt, wenn mal wieder irgendein Schnipselchen aus Mercury-Studio-Takes von der gnadenlosen Verwertungsmaschinerie der Musikindustrie aufgegriffen und als fadenscheiniger, aber wirkungsvoller Rückfallköder auf die Queen-Fans alter Schule losgelassen wurde, auf diejenigen, die den „Mercury-Schock“ am 24.11.1991 selbst noch hautnah miterlebt haben. Denen er in Mark und Bein gefahren ist. Ich wette, dass kaum einer – selbst Leute, die Queen seinerzeit eher nur nebenbei gehört haben – sich der Magie solcher artifiziell im Studio zusammengeschnittener Queen-Revivals entziehen konnte. Und kann.

Und seien wir mal ganz ehrlich: Auch wenn ‚Let Me In Your Heart Again‘ letztlich nur eine B-Version von ‚Hammer To Fall‘ darstellt: Es ist immerhin eine B-Version von ‚Hammer To Fall‘, und es ist verdammt noch mal Queen. Queen, Queen, Queen. Man kann daran herummäkeln, aber man kann einfach nichts dagegen tun, dass es trotzdem über den Rücken kribbelt. Queen haben schon längst alles gesagt – und trotzdem ist die Magie noch da, sei sie auch aus noch so fragwürdigen Motiven und als kalkulierte Legitimation für ein x-tes Greatest-Hits-Album in der Manier „naturidentischer“ Aromastoffe synthetisiert worden.

Terry Pratchett schrieb einmal sehr treffend, es sei ein Gesetz, dass Audiokassetten, die länger als 14 Tage unbeobachtet in einem Auto herumliegen, sich automatisch in „Queen: Greatest Hits“ verwandeln. Wenngleich diese Feststellung einer empirischen Überprüfung vermutlich nicht standhält, so dürfte sie doch bei vielen, die in den 80ern in einer Queen-Umwelt sozialisiert wurden, intuitiv zu heftigem Kopfnicken führen. Das Album „Forever“ beweist, dass an dieser Intuition nach wie vor etwas dran ist: Egal, was an Songfragmenten mit Mercury-Gesang ausgegraben wird, es klingt immer irgendwie wie etwas, das gerade im Begriff ist, sich unbemerkt in „Queen: Greatest Hits“ zu verwandeln. Das zwar nie die Klasse der tatsächlichen „Queen: Greteast Hits“ erreicht, diesen aber verdammt nahe kommt. Weil die Magie da ist.

Kaufempfehlung für „Queen: Forever“? Natürlich nicht. Ob man die Scheibe trotzdem haben muss? Aber ganz bestimmt!

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God save the … nein, halt: Die neue Single von Mustasch („Feared and Hated“, Gain/Sony Music, 2013)

Mustasch, Feared and HatedAm vergangenen Mittwoch ist Mustaschs Beitrag zur Eröffnung der Weihnachtszeit erscheinen – mag man meinen, wenn man die Single „Feared and Hated“ zum ersten Mal hört und zunächst mit sechzehn Takten zweistimmigen „Ah-ahs“ im betulichen Tempo begrüßt wird. Maria und Josef!, ist man spontan versucht auszurufen, wo sind sie nur hin, der Mustasch-typische Biss und das Löwengebrüll aus „Mine“ und Consorten?

Keine Bange: Der Schein trügt. Stille Nacht geht anders, und das Intro des Songs führt zunächst augenzwinkernd aufs (winterliche) Glatteis. Auch wenn sich das Intro erst nach vollständiger Erschließung des Songs kohärent in den Gesamteindruck fügt (eigentlich eine recht originelle Anspielung auf unsere linearen Hörgewohnheiten), so ist die Single „Feared and Hated“, vorab ausgekopppelt aus dem am 15.01. erscheinenden neuen Album „Thank You For The Demon“ alles andere als ein besinnlicher Weihnachtsschunkler. Er ist aber auch nicht zu 150% das, was man von Mustasch nach den letzten beiden – großartigen – Alben „Mustasch“ (2009) und „Sounds Like Hell Looks Like Heaven“ (2012) erwartet hätte, nämlich keine Fortschreibung des bewährten Stils mit neuen Riffs, sondern kann durchaus als eine Erweiterung des stilistischen Repertoires der Band angesehen werden – ob nur für diesen einen Song oder für das gesamte kommende Album, wird im Januar herauszufinden sein. Gerade das macht diesen Song als Teaser so gut.

Zur Beruhigung sei vorweggeschickt: Was Mustasch mit „Feared and Hated“ unternehmen, entfernt sich keineswegs meilenweit von dem, wofür die Band steht; statt dessen werden aus der ureigenen Kernkompetenz der Band – einem Händchen für knackige Riffs und sich unmittelbar ins Ohr groovende Songs sowie der unverwechselbaren Stimme von Ralf Gyllenhammar – neue Facetten herauspräpariert, die man nicht unbedingt erwartet hätte, die aber, so sie nun als Song vorliegen, durchaus Sinn ergeben und zu gefallen wissen. Die  Bezugspunkte heißen dabei weniger Dio, Black Sabbath und Danzig, als vielmehr – man staune! – Queen, Uriah Heep und Thin Lizzy. Das zeigt sich in mehrstimmigen Gesangsharmonien (Queen, Heep), das zeigt sich in einem Strophen-Riff mit vorwärtspreschendem Drumming im Stile von „Keep Yourself Alive“ oder „Headlong“ (Queen), das zeigt sich in Twin Leads à la Lizzy, die in der Wiederholung zu Triple Leads à la Brian May gesteigert werden. Über all dem: Gyllenhammar, mal gehetzt vorwärtsshoutend (wie man das von ihm kennt), mal mit sich selbst im Duett oder gegenläufig harmonierend (Chorus), das Ganze mit einem Charme vorgetragen, der – ohne Gotteslästerung betreiben zu wollen – in manchen Augenblicken zwar nicht der stimmlichen Brillanz, aber durchaus dem Charme Freddie Mercurys aufregend nahe kommt. Auch die dezent narzisstisch angehauchten Lyrics (die Gyllenhammar stets mit einem Augenzwinkern in der Stimme vorträgt) lassen den Geist von Freddie assoziieren, was man als warmherzige Hommage oder eben auch als originell transformierte stilistische Anleihe bei einer der ganz großen Referenzbands des Progressive Rock werten kann.

Das ist toll, das ist überraschend, und das ist – hat man erste Irritationen überwunden – ungemein überzeugend und mitreißend. „Feared and Hated“ macht Lust aufs kommende Album. Enorme Lust.

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